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nikolaus fels
... , wo die Schwäne bellen. 
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  illustration / K.P.M.Wulff
 

So fängt alles an. WDR 4 leiert sich schon seit Stunden aus den Boxen seiner Musikanlage in seine Ohren. Der junge Herr Fresenius schaut aus dem Fenster. Eine trübsinnige Landschaft bietet sich ihm dar. Der Himmel grau, regennass die Straße und triefend hängen die Äste und Sträucher herab. Zu allem dröhnt jetzt noch die "Über sieben Brücken Musikgruppe Karat" aus dem Radio. Diesmal aber quetscht Herbert Dreilich voller Inbrunst die Textzeile: "Wenn ein Schwan singt, schweigen die Tiiiireeee, - - -" heraus. Die Instrumente lassen dazu ein eindringliches Wabbern ertönen.  

Ja, wenn ein Schwan singt, dann schweigen die Tiere, aber hier singt kein Schwan und die Tiere schweigen auch nicht, es regnet nur und das ausgiebig und das schon stundenlang. 

Es ist ja nicht so, dass es in Lünen nicht auch schöne, sonnige und warme Tage gibt. Die gibt es auch. Das nützt dem jungen Herrn Fresenius aber heute nichts, denn heute ist einer der üblichen Regentage. Der Schwan im Radio ist singend als ein Schwanenkönig gestorben¸ Herr Dreilich verstummt, ein letztes Mal wabbert die Musik auf und ab. Veronika Fischer stöhnt auf: Du willst Deinen Spaß / und ich / immer denkst Du nur an Dich / - - -". Tuba Tuba Tuba Tuu, vierviertelt die Begleitmusik der Begleitband. Dann seufzt Heino mit Inbrunst aus den Boxen: "Wilde Schwäne müssen fliegen / und am Himmel ziehen wilde Schwäne / fliegen einmal um die Welt / Du, mein Mädchen, bist auf einmal eine Königin / und du wirst gehen mit dem, der Dir gefällt." Rummtataduduu. 

Der junge Herr Fresenius hat die Fernbedienung auf seinem Arbeitstisch gefunden. Out drücken und Stille ist im Raum. Der Regen will auch nicht mehr. 

Minuten später steht der junge Herr Fresenius mit Brot in der Hand vor dem Lüner Schloss Schwansbell. Auf dem Teich vor dem Schloss ist Wasservogelvollversammlung. Auch die zwei Karnickel fühlen sich ganz als Wasservögel, so wie sie zwischen den Enten im Gras des Teichufers hocken und an dem frisch gewässerten Gras rupfen.  

Warum "Schwansbell", fragt sich der junge Herr Fresenius, wie er die ersten mitgebrachten Brotstückchen den Enten zuwirft. 

Mit einem mickerigen Bellen macht sich ein Hund bemerkbar. Er schafft es, die Karnickel zur Flucht zu bewegen. Die Enten bleiben gelassen beim Grasrupfen. Der mickerige, bellende Hund stürmt am Teichzaun entlang. Es ist ein noch junger Hund. Es ist auch ein noch dummer Hund. Mit voller Wucht rammt er gegen den dort stehenden jungen Herrn Fresenius. So brutal abrupt in seinem Tatendrang gestoppt, zieht er sich zu seinem Herrchen zurück. Der heißt Fehringo und steht mit der Hundeleine wedelnd unter dem Eingangstor zum Schlossgelände, welches sich auf der Hälfte des Schlossteichzaunes befindet und grüßt freundlich entschuldigend herüber. Der junge Hund duckt sich zwischen den Beinen von Fehringo hervor und knurrt 

 

in Richtung des jungen Herrn Fresenius. Der große schwarze Schwan, welcher hinter dem jungen Herrn Fresenius steht und dort auf die nächsten Brotstücke wartet, bezieht das Knurren des kleinen Gernegroß fälschlicherweise auf sich. Er stellt sich breitbeinig in Pose und zischt zurück. Der junge Hund bellt sein mickriges Bellen nun in Richtung Schwan.  

Fehringo schwant schon was. Er beugt sich zu dem kleinen Kläffer hinunter und will ihm die Hundeleine anlegen. Der ist aber ein dummer Hund und spurtet schon los in Richtung Schwan. Die Höhe des Teichzaunes ist kein Hinderungsgrund für den anstürmenden Hund, dem Schwan mal Bescheid zu stoßen, wer hier das Sagen hat. "Immer diese ungestüme Jugend", denkt der junge Herr Fresenius, wie er aus unmittelbarer Nähe diese Szene beobachtet.  

  illustration / K.P.M.Wulff
Fehringo ist seinem kleinen, jungen, dummen, ungestümen Hund schon hinterher, da fliegt ihm dieser augenblicklich auch schon entgegen. Das fliegende Hundeknäuel rubbelt bei der Landung über das Kopfsteinpflaster des Weges. Sein klägliches Jaulen bestimmt für Minuten allein den Lautpegel am Schlossteich. Der Schwan steht noch immer in Imponierpose, stumm zwar, aber jeder zeit bereit wieder zuzuschlagen. Fehringo nutzt die Gelegenheit nicht entschlossen. Der junge, dumme Hund hetzt schon wieder in Richtung Schwan. Vor dem steht aber jetzt Fehringo. Er will ihn aufhalten, seinen kleinen, jungen, dummen Hund. Der schlägt einen Haken, rutscht aus, überschlägt sich, rappelt sich wieder hoch und rast in sein Unglück. Der kräftige Flügelhieb des Schwanes befördert den vor Wut blind anrennenden Hund in den Teich. Der plumpst genau vor dem schon aufgeregten Ganterich in das trübe Wasser. Es spritzt hoch. Es bespritzt den Ganterich. Kein guter Augenblick für den wieder auftauchenden kleinen Hund. Der erboste Ganterich versetzt dem Eindringling einen kräftigen Schnabelhieb. Den nächsten setzt er unmittelbar nach. Fehringos dummer, junger Hund hat nicht mal Zeit aufzujaulen. Mehrere Enten und Blesshühner sehen den Augenblick gekommen, sich für all die vielen Demütigungen von Hunden zu rächen. Zu allem entschlossen schwimmen sie auf das wimmernde Etwas da in ihrem Teich zu.  

Jetzt greift Fehringo in die Schlacht ein. Er steigt über den Teichzaun und oder werden von Fehringos Fußtritten zum Fliegen gebracht. Der schwarze Schwan bekommt jetzt Unterstützung von dem weißen Schwan, der sich bisher zurückgehalten hat. Beide schnappen sie nach Fehringos Beinen. Und ob Sie es nun glauben wollen oder nicht, beide Schwäne bellen dazu wie ausgewachsene Schlosshunde. 

Ob Fehringo dieses überhaupt mitbekommen hat, er also dieses bestätigen kann, wenn er sich von dem Schrecken und seiner panischen Flucht aus Schwansbell in die Sicherheit der Horstmarer Straße erholt hat, das weiß der junge Herr Fresenius nicht, - aber er, der junge Herr Fresenius, steht ja unmittelbar dabei. 

Eigentlich ist für den jungen Herrn Fresenius das auch ganz logisch. Wie sollte das Schloss hier in Lünen, an diesem Teich, sonst auch Schloss Schwansbell heißen, wenn es nicht das Schloss ist, wo die Schwäne bellen, - jedenfalls manchmal, - ab und zu, - wenigstens, - - -.

 zwei illustrationen von / K.P.M.Wulff